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C. Hauptmann,
1911 |
Die
Mosel von Cochem bis Bernkastel |
Die Mosel
von Cochem
bis Bernkastel
Auszug aus dem Buch
von C. Hauptmann, 1911
...Wir schreiten unter
der hohen Eisenbahnbrücke her, deren
zierliche Eisenkonstruktion wie ein
Spinngewebe von einem Ufer zum anderen
gespannt ist. Soeben rollt ein Zug mit
donnerndem Getöse darüber her, welches
nach kaum einer Minute ebenso plötzlich
wie es begonnen hat, verstummt. Der Zug
ist in dem Tunnel des Petersberges
verschwunden. Die Reisenden, die er
beförderte, haben kaum Zeit gehabt, die
beiden Landschaftsbilder zu bewundern,
welche sich ihnen nach dem Verlassen der
nachtdunklen Finsternis des Cochemer
Tunnels hier geboten haben. In luftiger
Höhe über der Mosel schwebend, sahen
sie links in das langgestreckte, von
Rebengeländen und waldigen Höhen
begleitete grüne Moseltal hinein,
während vor dem rechtsseitigen
Waggonfenster der Calmond seine steilen
mit Reben gezierten Schroffen hoch bis
zum Himmel hebt aber kaum hat das
Auge diese erfasst, da umgibt den
Reisenden wieder pechschwarze Finsternis,
der Zug durchbraust den Tunnel des
Petersberges und wie eine Vision schwebt
ihm noch das grüne Tal und der schroffe
Berg im Gedächtnis.
Stuben
Aber wir freuen uns der herrlichen
Ausschau, die sich uns hier von unserer
Straße zeigt. Gerade vor uns und rechter
Hand steigen die steilen Schieferhänge
das Calmond zu schwindelnder Höhe
hinauf. In ihrem der Mittagssonne
zugekehrten Halbrund klettert die Rebe
bis zur äußersten Grenze ihres
Gedeihens empor, wo struppiges Gebüsch
an ihre Stelle tritt. Ein breiter,
leuchtend grüner Wiesenplan zieht sich
auf der Gegenseite des Flusses bis zum
Maiengrün des Waldes, blühende
Obstbäume zeichnen die zarten Schatten
ihrer rosigen Kronen darauf.
Inmitten dieser Maienpracht hebt sich
trauernd die langgestreckte schmale
altersgraue Ruine einer Kirche. Gotische
Fenster reihen sich in der Länge des
ganzen Gebäudes, welches nach oben, in
gerader glatter dachloser Linie endet.
Hier und dort sieht man die schwarzen
Streifen von Mauertrümmern, in der Nähe
der Kirche sich durch die leuchtenden
Wiesen ziehen. Es sind die Reste des
Klosters Stuben. Im Hintergrunde zeigen
sich die ersten Häuser des Dorfes Bremm
und seine Kirche. Als das Kloster im
Jahre 1136 gegründet wurde, wählte man
dazu die damals in der Mosel liegende St.
Nikolas-Insel. Im Laufe der Zeit haben
Hochwasser und Eisstauungen den Fluss
mehr auf den Calmond hin verschoben und
den jenseitigen Flussarm mit Geröll
angefüllt, so daß die Ruine jetzt auf
dem rechten Moselufer liegt. Ihr
gotischer Stil zeigt, daß sie nicht der
ursprünglichen Gründung angehört,
sondern später entstanden ist, aber in
ihre mag doch wohl noch Kaiser
Maximilian gekniet haben, der auf
seinem Zuge zum Reichstage in Trier, im
Jahre 1512, hier abstieg, um dem heiligen
Nikolaus seine Verehrung zu erweisen.
Ein Ritter namens Egelolf war der
Gründer de Klosters, an dessen Stelle
ein Gehöfte stand; er übergab daßelbe
dem Abt Richard von Springiersbach, eine
Abtei, welche nicht weit von hier, an der
Alf liegt, damit er ein Frauenkloster
nach der Regel des heiligen Augustinus
gründe. Seine Tochter Gisela wurde die
erste Vorsteherin und seine Verwandten
steuerten alles, was sie gemeinschaftlich
mit ihm besaßen, dazu bei. In der
Bestätigungsurkunde verordnete der Legat
des päpstlichen Stuhles, Erzbischof
Albero, daß die Zahl der Schwestern nie
über 100 steigen dürfe. Trotz seiner
durch den Lauf der Mosel geschützten
Lage wurde das Kloster anfangs sehr durch
die umwohnenden Ritter geschädigt., auch
lagerten sie sich wochenlang in seinen
Höfen, unter dem Vorwande, dort als
Vogte die Aufsicht zu führen. Besonders
die Herren von Arras taten sich hierin
hervor. Um dem Kloster Ruhe zu schaffen,
musste endlich der Kirchenbann über
diese Herren ausgesprochen werden. Das
half. Die Trierer Erzbischöfe machten
vielfach reiche Zuwendungen dem Kloster,
so Erzbischof Hillin, der ihm die von ihm
erbaute Peterskapelle mit ihren Gefällen
übergab. Die höchste Blüte erreichte
jedoch das Kloster Stuben, als Heinrich,
Herr von Uelmen, demselben einen Behälter mit
Teilen des heiligen Kreuzes schenkte.
Er war bei der Stürmung von
Konstantinopel und der Plünderung der Hagia
Sophia gewesen und bracht von dort
zahlreiche Reliquien mit. Die kostbarste
derselben war der vorher erwähnte
Behälter, welcher von den griechischen
Kaisern Konstantin VIII. und Romanus
herrührt. Sie hatten ihn zum Dank für
erkämpfte Siege in der Sophienkirche
aufstellen lassen, seine Hauptkapsel
umschloss eine Partikel des heiligen
Kreuzes, die Nebenkapseln andere
Reliquien. Es war ein prachtvolles, reich
mit Gemmen, Perlen und Edelsteinen
geschmücktes Kunstwerk. Auch noch andere
Reliquien schenkte Heinrich von Uelmen
dem Kloster, darunter einige Dornen aus
der Dornenkrone des Erlösers.
Bei dem Einbruch der Franzosen wurden
diese Schätze auf das rechte Rheinufer
gerettet, sie kamen in den Besitz des
Herzogs von Nassau und bilden jetzt einen
Hauptteil des Domschatzes von Limburg.
Als das Kloster in den Besitz dieser
Reliquien gelangt war, kamen zahlreiche
Wallfahrer zu der früher so stillen
Moselinsel; in den drei Sommermonaten des
Jahres 1208, als die Reliquien dort zum
ersten Male der Verehrung der Gläubigen
dargeboten wurden, betrugen die milden
Gaben fast an 40 Goldgulden. Vom 15.
Jahrhundert an fing Kloster Stuben
infolge der unruhigen Zeiten an zu
sinken; gar häufig mussten die
Conventualinnen sich flüchten, der
längere Aufenthalt derselben außerhalb
des Klosters ließ die Zucht erschlaffen,
überdies stiegen fortwährend die
Schulden desselben. Im 18. Jahrhundert
war die Zucht des Klosters so gesunken,
daß öffentlicher Tadel darüber
ausgesprochen wurde, und als im Jahre
1790 die Zahl der Schwestern auf 6
zurückgegangen war, verwandelte der
Erzbischof von Trier, Clemens
Wenzeslaus, daßelbe in ein freies
Stift adeliger und bürgerliches
Jungfrauen, die jedoch meist außerhalb
des Klosters von ihren Pfründen lebten.
Dieser Zustand dauerte jedoch nur vier
Jahre, dann kamen die Franzosen, da
Kloster wurde, wie so viele andere,
verkauft und dem Verfall überlassen.
Könnte man sich sieben Jahrhunderte
zurückversetzen, so würde man in dem
Kloster dort vielleicht einen alten
Bekannten antreffen, der, wie es scheint,
im Jahre 1208, als die Reliquien zum
ersten Male im Kloster Stuben gezeigt
wurden, die Mosel hinauf gepilgert ist -
Cäsarius von Heisterbach, dessen Spuren
wir später auch noch an anderer Stelle
im Moselkrampen finden werden. In dem 14.
Kapitel einer Distinctio de daemonibus
nämlich beginnt er: In festo
omnium Sanctorum, hoc anno cum essem cum
Priore meo in Insula sancti Nycholai,
quae vulgo Stupa vocatur, et est
monasterium sanctimoniatium, vidimus ibi
puellam ante adventum nostrum obsessam
sed tunc beneficio reliquiarum
liberatam. (Als ich am
Allerheilgentage dieses Jahres mit meinem
Prior auf der St. Nikolas-Insel war, die
gewöhnlich Stuben genannt wird, sahen
wir dort ein Mädchen, welches vor
unserer Ankunft besessen und durch die
Wohltat der Reliquien geheilt worden war.
Er erzählt dann weiter, wie durch die
Auflegung der Dornen aus unseres Herrn
Dornenkrone diese Heilung erfolgte,
wodurch auch die Echtheit der Dornen
erwiesen sei.)
Den Behälter der Reliquien nennt er
bei dieser Gelegenheit eine golden Tafel.
An anderer Stelle schreibt er dann, daß
die Äbtissin Irmingardis ihm auch den
Grund der Besessenheit diese Mädchens,
welches aus Cochem stammte und Harddyfa
hieß, erzählte, der in einer
Verunehrung des Altarsakramentes
bestanden habe. Vor dem geistigen Auge
entsteht da unwillkürlich ein Bild aus
dem Mittelalter. Wir sehen am Abende des
Allerheiligentages die beiden Mönche aus
dem Kloster Heisterbach im Kloster Stuben
am Herdfeuer bei einem Glas Wein sitzen,
der Novembersturm heult um Kamine und bei
der ungewissen rötlichen Beleuchtung des
Feuers hören sie andächtig den
wunderbaren Erzählungen der Domina
Irmingardis magistra de Insula sancti
Nicholay zu...
Von
Eller nach Bremm und zur Peterskapelle -
Seiten 88 bis 92
Bei dem am Ausgange des Cochemer
Tunnels gelegenen Eller beginnt ein neuer
Abschnitt des Moseltales. Von Coblenz bis
Cochem treten die Felsen am engsten an
den Fluß heran, in Moselkrampen stellt
eines der beiden Ufer meistens eine
anmutige Hügellandschaft der schroff
ansteigenden Gegenseite gegenüber,
während von Eller ab, das Tal
moselaufwärts breiter wird und einen
ganz anderen, aber darum nicht weniger
schönen landschaftlichen Charakter
zeigt.
Es ist, als ob hier bei Eller die
Mosel die Schönheiten, die ihr unterer
Lauf uns bietet, noch einmal in dem
grandiosen Schlußakkord zusammenfassen
wollte, welchen der hohe Calmond mit
seinen bis zum Himmel steigenden
Rebenterrassen, mit dem
gegenüberliegenden waldgrünen
Petersberg und der stillen Ruine des
Klosters Stuben, die sich träumend in
der klaren Fläche des grünen Flusses
spiegeln, bildet.
Aber ehe wir weiter moselaufwärts
pilgern, widmen wir einige Minuten dem
sich so behäbig darbietenden Dorfe
Eller, dessen mächtige alte Häuser nur
wenig von ihrem früheren Charakter
bewahrt haben, den das Burghaus mit
seiner an der Landstraße liegenden
ehemaligen Kapelle nur noch in seiner
versteckten Seitenfront aufweist.
Gehen wir zu der hochliegenden Kirche,
so zeigt sich vor ihr auf unserer linken,
eine arg verwahrloste dem heiligen Rochus
gewidmete und nun als Lager dienende
Kapelle, deren spätgotische zierliche
Formen, wieder auf den Baumeister von
Clotten und Ediger hingewiesen. Wie
schade, daß das so rassig hingepinselte
spätgotische Bild an ihrer Straßenseite
fast zur Unkenntlichkeit ausgelöscht
ist. Man erkennt einen Bischof und eine
andere Figur in mittelalterlicher Tracht;
die gotischen Schriftzüge scheinen
St. Severus und St.
Arnolphus wiederzugeben. Darunter
liest man in derselben Schrift:
Arnolphus, der heilt zur
Stundt, Menschen, Vieh und rasende
Hundt.
Der Turm der Kirche, zu welcher wir
nun hinaufsteigen, weist romanische
Formen auf, das barocke Portal zeigt die
Jahreszahl 1718, in welchem die Kirche
dem damaligen Geschmack entsprechend
umgebaut wurde. Der zierliche ältere
Chor scheint wieder von dem Baumeister
der Kirchen von Clotten und Ediger
herzurühren, ein schöner Grabstein mit
lebensgroßer Figur meldet uns, daß hier
der im Jahre 1611 gestorbene Schöffe und
Bürgermeister Theys Kulwer begraben
liegt. Ein sehr schönes, neuerdings
polychromiertes barockes Flachrelief auf
dem rechten Seitenaltare stellt die
heilige Maria mit dem Jesuskinde und
neutestamentliche Begebenheiten dar;
seiner Inschrift nach stammt es aus dem
Jahre 1621.
Wir gehen nun wieder zur Mosel
zurück, um unsere Wanderung
flußaufwärts fortzusetzen. Wir
überschreiten neben der Eisenbahn den
Ellerbach, wo früher eine uralte Kapelle
den Heiligen Hubert und Arnolphus geweiht
sich erhob, welche die Jagdgrenze
bildete, sie ist der Eisenbahnbrücke zum
Opfer gefallen, die hoch über unserer
Landstraße und der Mosel hängt.
Nun wandern wir die warme sonnige
Straße hinauf, welche die Steilhänge
des 381 Meter hohen Calmond begleiten,
näher und näher rückt uns die Ruine
des Klosters Stuben, deren Trümmer sich
dunkel von den frühlingsgrünen Wiesen
abheben, bald zeigen sich die ersten
Häuser des Dorfes Bremm, dessen weißer
Kirchturm den höchsten Punkt des Dorfes
bildet. Gar sonderbare alte Bauten sind
es, die uns hier am Eingange des Dorfes
begrüßen, dann stehen wir vor einem
ganz hervorragend schönen Fachwerkbau,
der leider zum Teil hinter einem modernen
Neubau sich versteckt. (Seite 8 und 90.)
Die Kirche des Ortes verdient unter
allen Umständen einen Besuch, auch sie
ist von dem Baumeister der Kirche von
Ediger, aber von regelmäßiger Bauart,
sie macht in ihrer jetzigen neuen
Rekonstruktion eine ungemein reichen
Eindruck. Ob dieselbe bei dieser
Neuerrichtung, welche durch
Baufälligkeit nötig geworden war, ganz
in der ursprünglichen Weise wieder
hergestellt worden ist, lassen wir dahin
gestellt.
Bremm gegenüber beginnt ein
Wallfahrtsweg zu der über Kloster Stuben
sich erhebenden Kapelle des Petersberges.
Wir lassen uns von dem Fährmanne
übersetzen, dessen Nachen uns in wenigen
Minuten über die hier so stille klare
Flut führt. Ehe wir auf den maigrünen
Hochwald zuschreiten, wandern wir eine
kurze Strecke durch die hellen Wiesen auf
die einsame Kirchenruine zu, sie zeigt
nur wenige Einzelheiten, welche von
Interesse sind, das Barock-Portal,
welches wir von der Gegenseite zu
erblicken glaubten, erweist sich bei
näherer Betrachtung als aufgemalt. Wie
sonderbar, daß in der kurzen Zeit eines
Jahrhunderts hier so alles bis auf wenige
Reste verschwinden konnte!
Nun steigen wir unter dem hellgrünen
Laubdache des Buchenwaldes bergan,
verfallene Stationsbilder zeigen, daß er
in früheren Zeiten begangener war wie
jetzt. Oben angelangt, zieht der Weg sich
noch weiter über den Kamm des Gebirges
bis zu der einsamen Kapelle, die nach
zwei Seiten zur Mosel hinunterschaut,
welche hier eine der engsten Krümmungen
ihres ganzen Laufes zieht.
Das Innere der Kapelle ist schmucklos,
ein Barockaltar der selben stammt aus dem
Kloster Stuben. Nur selten zeigt sich ein
Beter in ihren Räumen, denn die engere
Gemeinde, welche sie umgibt, ist eine gar
stille, es sind die Toten des jenseits
des Berges gelegenen Dorfes Neef.
Aber welche wunderbare Aussicht biete
dieser Friedhof, besonders moselaufwärts
in den Teil des Tales, welchen der
Petersberg uns bis jetzt wie ein Riegel
verschlossen hielt. Links erblicken wir,
unter uns, das Dorf Neef, rechts
Aldegund. In der Mitte den Bergrücken,
der zur Marienburg ausläuft, auf dessen
höchstem Punkte ein Aussichtsturm steht.
Nach der anderen Seite sehen wir das
Moseltal unterhalb Bremm, den Bahnhof von
Eller und seinen Tunnelausgang, der uns
gerade gegenüber liegt. Aus der dunkelen
Oeffnung quillt Rauch hervor, dann zeigt
sich ein Zug, in dessen kohlenbeladene
Wagen wir hineinschauen, er donnert unter
uns über die Eisenbahnbrücke und
nachdem er den Tunnel verlassen hat,
entquillen wieder neue Rauchwolken der
schwarzen Tiefe.
Noch lange sitzen wir auf der
niedrigen Kirchhofmauer und schauen in
des lachende Tal hinunter, warme
Maiensonne glänzt über uns, ein lauer
Windhauch läßt die falben Totenkränze
der einfachen Kreuze leise knistern. Aber
wie ganz anders mag es auf dieser Höhe
sein, wenn Winterstürme die arme Kapelle
umbrausen, wenn der kleine Turm unter
seinem Drucke ächzt und Kränze und
Schleifen, der Schmuck der Toten, in
schaurigem Wirbel wieder hinunter zu den
Wohnungen der Lebenden im Tale steigen.
Das sehen wir jetzt noch auf dem
Steilhange des Berges unter uns, der ganz
besät mit diesen Zierden der Gräber
erscheint.
Aber so ganz verlassen sind die Toten
des Dorfes Neef doch nicht hier oben,
denn nun sehen wir, wie eine Frau mit
einem kleinen Kinde hier eintritt, um an
einem der Gräber zu beten.
Der Weg nach Neef hinunter zieht sich
an einem schwindelerregend steilen Abhang
entlang, der ganz von Rebenterrassen
gebildet ist.
Von
Bremm nach Alf - Seite 93 ff.
Geht man von Eller nach Bremm, welches
mit seinem hochgelegenen weißen
Kirchturme, so freundlich aus den
üppigen Rebenhängen herausschaut, so
begrüßen den Wanderer schon am Eingange
des Orts einige charakteristische alte
Häuser, und dann weiter solche, die von
dem langen Wohlstande des Ortes reden.
Manche Türeinfassung, manches Fenster
weist in Stein gemeißelte spätgotische
Verzierungen, Hausmarken und Wappen auf,
über einem der Fenster sehen wir auf
Wappenschildern in zierlichem
spätgotischem Maßwerk das Handwerkszeug
eines Küfers, Zirkel und Faßbeil.
Bremm hat von jeher sich einen guten
Rufes seines Wachstums erfreut und so
lassen wir uns zu einem Glase Wein auf
der Veranda eines Gasthauses hier nieder.
Es ist ein schöner, warmer Herbstabend,
kein Lufthauch regt sich, die Fläche des
Flusses liegt glatt und unbewegt wie ein
Spiegel vor uns. Fast ebenso klar wie das
Vorbild gen Himmel strebt, senkt sich das
Spiegelbild in die Tiefe. Jede
Schieferklippe, jeder Weinbergspfahl,
jedes Blatt ist wiedergegeben, und dort,
wo die hochsteigende Wand des Calmonds
die Spiegelung des Himmels verhindert,
hat man kaum das Gefühl, ein Gewässer
zu erblicken, man glaubt fast, daß hier
die Weinbergsterrassen mit ihren grünen
Reben, bis tief in die Erde, tiefer wie
die hellen Wiesen des Vorlandes,
hinuntersteigen. Uns gegenüber senkt der
niedrige Ausläufer des Petersberges
seine Schroffen und Weinberge zu den
Fluten, die unter seinem Bilde, eine
feurige Abendwolke im Flusse aufleuchten
lassen.
Es ist nun Zeit, daß wir aufbrechen,
um das noch 6 Kilometer von hier
entfernte Alf zu erreichen. Wir wandern
weiter dem Flusse entlang, der genau
dieselbe Richtung hier von Bremm nach
Neef einhält, die er von Eller bis nach
Bremm gezogen ist. Es ist schwer, sich
vorzustellen, daß wir uns jetzt, dem
jenseits des zackigen Berggrates des
Petersberges liegenden Orte Eller bis auf
kaum tausend Schritte wieder nähern. Auf
unserer Rechten zeigt sich nun eine
Kapelle mit morschem Holzgewölbe, welche
eine recht realistisch ausgeführte
große alte Kreuzigungsgruppe birgt, dann
erblicken wir die Häuser von Neef auf
dem anderen Moselufer, hinter welchen wir
die Fortsetzung des Moseltales zu sehen
glauben.
Ein steiles Felsgebirge scheint unsere
Straße sperren zu wollen und nun, wo wir
diese Gebirgskante umschritten haben,
tritt plötzlich ein vollständiger
Kulissenwechsel ein.
Wir schauen in ein breites, anmutiges
Flußtal, zu welchem sich von beiden
Seiten das Gebirge in sanften Linien
hinuntersenkt. Ein langer Bergzug
schließt in der Ferne das Tal, dessen
höchster Punkt, von einem Turm gekrönt,
gerade den Mittelpunkt des Bildes
einnimmt. Es ist der Prinzenkopf bei Alf,
der einen Aussichtsturm trägt. Rechts
zieht sich Aldegund den Berg hinauf, der
hohe Turm seiner neuen Kirche erreicht
fast die Turmhöhe des alten romanischen
Gotteshauses, welches an der höchsten
Stelle des Ortes erbaut ist.
Das, was uns vorhin als die
Fortsetzung des Moseltales schienen war,
weist sich nun als das Tal des kleinen
Neefbaches aus, welches den schroffen
zackigen Felsgrat, der die Peterskapelle
trägt, landeinwärts weiter begleitet,
und an dessen Stelle sich nun ein
niedrigeres Gebirge an die Mosel schiebt.
Auf dem Gipfel des Petersberges zeigt
sich von hier das Eulenköpfchen, ein
Aussichtspunkt, der noch höher wie die
Kapelle liegt, und diese nach unserer
Seite hin verdeckt, wir erkennen ihn an
der feinen Linie des Geländers, die sich
gegen den Himmel zeichnet.
Neef, dem wir nun gegenüber angelangt
sind, ist ein kleiner Ort. Auf sein
ehrwürdiges Alter weist sein großes
Burghaus hin, welches an Größe und
Höhe alle übrigen Häuser des Ortes
überragt. Außer seinen altertümlichen
Größenverhältnissen zeigt nur der Rest
eines romanischen Fensters, daß wir hier
noch einen Zeugen der Hohenstaufenzeit
vor uns haben. Der wohl ebenso alte
einfache Kirchturm, der einzige Rest der
nun verschwundenen Kirche, ist so
niedrig, daß nur sein Dach sich über
die davorliegenden Häuser erhebt.
Die Eisenbahn, welche den Petersberg
mit einem Tunnel durchbohrt hat, ist nun
zum ersten Male auf dem rechten Moselufer
angelangt, aber nur, um dasselbe nach
vier km. wieder zu verlassen. ...
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