Geschichtliche Parallelen Geschichte und Anekdoten von Bremm und Kloster Stuben
Robert Kraemer Kloster Stuben - Berühmt für die "Stubener Nachtigallen"

Kloster Stuben -
Berühmt für die "Stubener Nachtigallen"

Nachtigallen im Kloster Stuben

Um das Zisterzienserkloster Himmerod in der Eifel vermehrten sich die Nachtigallen so stark, daß sie den frommen Mönchen die Weltlust ins Herz sangen. Ihre bestrickendsüßen Lieder lockten die Söhne Sankt Bernhards aus den engen Zellen hinaus auf Reisen in die weite Welt, wo sie Gebet und Arbeit vergaßen und sich einem ungeistlichen Wohlleben hingaben.

Als der heilige Bernhard die schlimme Kunde vernahm und allsogleich nach Himmerod eilte, um seine geliebten Söhne vom weltlichen Treiben zur strengen Ordensregel zurückzurufen, bat er die Nachtigallenscharen, aus der Umgebung des Klosters fortzuziehen. Er segnete die gefiederten Sängerinnen und forderte sie auf, zu jenen Kirchen und Klöstern zu fliegen, wo man immer noch schlecht musiziere und mangelhaft sänge: „Laßt euch dort nieder, jubelt so eindringlich, bis man eure süßen Stimmen nachahmt und ihr zu Lehrmeisterinnen des Gotteslobs werdet!“

Die ernste Sorge um seine gefährdeten Söhne, die aus den Worten des Vaters der Zisterzienser klang, rührte die kleinen Vogelherzen. Die Himmeroder Nachtigallen weinten in den Büschen des Klostergartens ein inniges Abschiedslied und dann flatterten sie das Salmtal abwärts zur Mosel. Als sie das junge Augustinerinnenstift Stuben bei Bremm überflogen und dort hoch in Lüften den Choral der adeligen Nonnen vernahmen, beschlossen sie, sich hier niederzulassen, um die hörbar noch recht ungeschulten Mädchen- und Frauenstimmen in der Gesangeskunst zu unterweisen. Und siehe da, hatten die Nachtigallenlieder die Himmeroder Mönche zur Weltlust verführt, so bewirkten sie im Stubener Schwesternkonvent gerade das Gegenteil. Seitdem die kleinen, grauen Vöglein aus den Erlen- und Weidenbüschen der Moselinsel ihre lieblichen Töne erschallen ließen, nahmen Klosterfrieden und Klosterzucht ständig zu, so daß Prior Richard von der nahen Augustinerabtei Springiersbach erfreut Kurfürst Albero von Trier berichten konnte: „Die hundert adeligen Jungfrauen und Witwen im Konvent zu Stuben leben in Eintracht und Gottesfurcht und bilden eine gottwohlgefällige Klosterfamilie, die ihrem Schutzpatron, dem heiligen Nikolaus, alle Ehre macht. Wenn sie nach gewissenhafter Tagesarbeit gemeinschaftlich Vesper und Komplet singen, jubelt aus frommen Frauenkehlen hundertfaches Gotteslob. Sie sind als gelehrige Schülerinnen der Himmeroder Nachtigallen Meisterinnen der geistlichen Gesangeskunst geworden. Möge es immer so bleiben!“

Es blieb lange so. Erzbischof Balduin von Trier pflegte auf seinen Moselfahrten nach Koblenz stets in Stuben einzukehren, um sich an dem Choralgesang des Nonnenkonvents zu erbauen. Im Jahre 1512 unterbrach Kaiser Maximilian seine Reise zum Reichstag nach Trier einundeinenhalben Tag im Kloster Stuben, um dort die kostbare Kreuzpartikel, die Ritter Heinrich von Ulmen aus dem Heiligen Land mitgebracht und den frommen Stubener Frauen geschenkt hatte, zu verehren. Er war von dem gottinnigen Klosterleben auf der Nikolausinsel tief beeindruckt und kargte nicht mit Anerkennung und Lob der sangeskundigen Schwestern im weißen Kleid, schwarzem Mantel und den Rosenkranz am Gürtel.

Als aber der Kaiser nachts im klösterlichen Gastzimmer vor Gedanken und Sorgen um des Reiches Wohl nicht zum Schlafe kommen konnte und sinnend sich auf dem Lager wälzte, erhub draußen im Klostergarten eine Nachtigall ihr schmelzend Lied, daß die bestrickenden Töne sich durchs offene Fenster stahlen. Eine gefiederte Schwester antwortete in den Uferweiden und allsobald fiel eine dritte aus dem nahen Auwald ein. Der Kaiser lauschte hingerissen den lieblichen Tönen und spähte prüfend in die laue Sommernacht. Da gewahrte er, daß die Bäume und Hecken wie lebendig von zauberisch schlagenden Nachtigallen wurden. Beglückt ließ er sich von ihnen in den Schlummer singen und erwachte am Morgen so frisch und froh, daß er beim Abschied der ehrwürdigen Meisterin des Konvents, Frau Odilia von Eltz, bewegt die Hand drückte und schelmisch meinte: „Kein Wunder, wenn die adeligen Nönnlein von Stuben selbst trefflich wie Nachtigallen singen – nicht alle Klöster können sich solch vollkommener Lehrmeisterinnen rühmen“.

In Trier aber berichtete der Kaiser dem Kurfürsten Richard von Greiffenklau über die zwitschernden Klostervöglein auf der Moselinsel zu Stuben. Und als der kaiserliche Herr seines Reiches streitbarsten Erzbischof Richard dazu bewog, erstmals das ungenähte Gewand des Erlösers zur allgemeinen Verehrung auszustellen, da entbot er zu gleich abwechselnd die Hälfte der „Stubener Nachtigallen“ als Ehrenchor in die Hohe Domkirche. Dort sangen dann die fünfzig Nönnlein im weißen Ordenshabit, während das Volk des Trierer Landes in gebührender Ehrfurcht am Heilandskleid vorüberwallte, so daß die Gläubigen noch tiefer ergriffen wurden und vermeinten, alle Nachtigallen ihrer Heimatwälder auf den Eifel- und Hunsrückhöhen und aus den Tälern der Mosel, Saar, Nahe und des Rheines hätten sich im Trierer Dom ein Stelldichein gegeben, um zur Ehre Gottes und seines ungeteilten Rockes süß und selig zu schlagen und zu schluchzen.

Vor den französischen Revolutionsheeren flohen die letzten Stubener Klosterschwestern mit dem letzten Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus auf das rechte Rheinufer. Das Frauenkloster auf der Moselinsel bei Bremm wurde später versteigert und die Gebäude abgebrochen. Heute künden nur mehr die Ruinen der Klosterkirche mit ihren leeren Fensterhöhlen von der einst blühenden Stätte christlicher Tugend und Kunst in unserer Heimat. Auch die Stubener Nachtigallen packte das Grauen vor so viel Zerstörung und irdischen Vergehens. Sie zerstreuten sich in die weiten Wälder des Trierer Landes. Nur Raubvögel und Krähen kreisen heute über der Stubener Klosterruine und schreien heiser auf, so ein Wanderer sich dem zerfallenden Gemäuer naht. Aber in lauen Frühlingsnächten, wenn in den steilen Moselwingerten die Rebstöcke heimlich blühen, kehren zuweilen einige Nachtigallen nach Stuben zurück. Sie schlagen und trillern ein paar Stunden ringsum der ragenden Ruine so wund und weh, als schluchzten und weinten sie um ein verlorenes Glück. Dann tropfen frühmorgens ihre Tränen von den feuchten Uferweiden.


Die Texte wurden vom Originaldokument (mit evtl. Fehlern) übernommen, ohne Anpassung an die aktuelle deutsche Rechtschreibung. Aus: Am Sagenborn der Heimat II, von Robert Kraemer
Text freundlicherweise zur Verfügung gestellt von Edwin Barzen, Bremm
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