|
Prof. Dr. Erwin
Schaar, 2003 |
Maria Theresia von
Soleren |
Maria Theresia von
Soleren
Das Schicksal einer Nonne
im Augustinerinnenkloster Stuben
von Prof. Dr. Erwin
Schaar, 2003
Springiersbach
feierte im August 2002 sein 900-jähriges
Bestehen. Aus diesem Anlass wurde die
Geschichte dieses Ortes aufgearbeitet und
als Buch veröffentlicht. Rund 700 Jahre
lang war Springiersbach eine
Augustiner-Chorherrenabtei. Wer sich mit
ihrer Geschichte befasst, kann nicht
umhin, sich auch der Geschichte des
Augustinerinnenklosters Stuben an der
Mosel zuzuwenden; denn dieses Kloster
wurde von dem großen Springiersbacher
Abt Richard gegründet und unterstand bis
zu seiner Umwandlung in ein Damenstift
(1788/89) der Mutterabtei am Kondelwald.
Stuben hat allgemein in der
Klostergeschichte keinen guten Namen. Es
soll nicht gerade ein Ort großer
Frömmigkeit und vorbildlichen
christlichen Lebenswandels gewesen sein.
In der Tat stellen ihm die überlieferten
Quellen kein gutes Zeugnis aus. Doch
sollte man nicht voreilig und unbesehen
den Stab über die Nonnen brechen, die in
Stuben lebten. Zu dieser Einsicht kommt
man, wenn man sich z. B. in das Schicksal
der Maria Theresia von Soleren vertieft,
die es im Kindesalter nach Stuben
verschlagen hat. Über sie ist eine sehr
aufschlussreiche Akte erhalten geblieben.
Doch ehe wir uns dieser zuwenden,
verfolgen wir zuerst in Grundzügen die
geschichtliche Entwicklung Stubens und
werfen so auch einen Blick in das
Innenleben des Klosters.
Stuben darf sich rühmen, das erste
Frauenkloster zwischen Trier und Koblenz
gewesen zu sein. Ein Mann mit Namen
Egelolf, vermutlich ein Ministeriale,
übertrug um 1137 dem Abt Richard von
Springiersbach ein Haus, eine St.
Nikolaus geweihte Kapelle und einen
Weinberg auf einer Halbinsel gegenüber
Bremm, damit er dort eine Klosterzelle
errichte, in der seine Tochter Gisela und
andere Jungfrauen dem armen
Jesus nach der Ordensregel des hl.
Augustinus zu folgen gedachten. Richard
machte sich sogleich ans Werk. Das neue
Kloster auf der Insel St.
Nikolai in Stuppa wurde 1137
durch den Trierer Erzbischof Albero und
1139 durch den Papst Innozenz II.
bestätigt.
Richard bemühte sich, dem Kloster
durch Ankauf von Grundbesitz eine sichere
materielle Grundlage zu geben. Hinzu
kamen Schenkungen des Pfalzgrafen Wilhelm
von Ballenstedt und mehrerer Trierer
Erzbischöfe. An Stelle der
Nikolauskapelle wurde eine neue Kirche
errichtet, die Erzbischof Johann von
Trier 1190 feierlich einweihte.
Ursprünglich stand Stuben
Frauen aus allen Ständen offen.
Vermutlich waren es vor allem Töchter
von Ministerialen, die das Kloster
aufsuchten. Als sich aber der
Ministerialenstand im 13. Jahrhundert zum
Ritterstand, dem niederen Adel,
weiterentwickelte, wurde Stuben zur
Versorgungsstätte von Adelstöchtern.
Sicher traten auch Novizinnen aus innerer
Berufung zum klösterlichen Leben ein;
vermutlich aber waren sie die Ausnahme;
denn es war zur Regel geworden, daß
Mädchen in unmündigem Alter von ihren
Eltern ins Kloster eingewiesen wurden und
schon mit 16 Jahren die Profess, d.h. das
Ordensgelübde ablegten. Danach gab es
für sie grundsätzlich kein Entrinnen
mehr aus dem Kloster. Verbitterung über
das unfreiwillige Nonnendasein machte
sich breit. Der strenge ausgedehnte
Chordienst der Augustinerinnen wurde als
lästige Pflicht empfunden. Schwer mag es
mancher Schwester gefallen sein, sich
gehorsam der Meisterin unterzuordnen, und
das besonders dann, wenn diese kein
Vorbild war, was häufig genug so gewesen
ist. Zu all dem kam hinzu, daß die
Adelstöchter ihr Standesbewusstsein oder
gar ihren Standesdünkel nicht mit ihren
weltlichen Gewändern ablegten. Auch als
Nonnen wollten sie standesgemäß leben
und pflegten dabei manche Eitelkeit. Das
war in der Mutterabtei Springiersbach, in
der Rittersöhne den Konvent
beherrschten, keineswegs anders. Stuben
war bereits im späten Mittelalter ein
reines Adelskloster. Um seine innere
Disziplin und die Beachtung der
Ordensregel war es schlecht bestellt.
Einblick in die
Verhältnisse in Stuben gewährt eine
Reformverordnung des Trierer
Erzbischofs Richard von Greiffenklau
aus dem Jahre 1511. Richard hatte das
Kloster einer Visitation unterzogen, die
sich als nötig erwies, weil die Nonnen
unter sich so zerstritten waren, daß sie
sich nicht auf die Wahl einer neuen
Meisterin einigen konnte. Der Erzbischof
befahl ihnen, binnen 14 Tagen eine
Meisterin zu wählen. Strenge Aufsicht
tue dem Kloster Not, stellte er fest,
damit ein ehrbar, göttlich und
züchtig Wesen gehalten werde.
Bemängelt wurde die Vernachlässigung
des Chordienstes und die Missachtung der
Regeln des Gemeinschaftslebens. Die
Schwestern lebten in separaten Wohnungen,
stellten Mägde ein und betrieben sogar
eigene Viehhaltung. Es bestand kein
Konventsgebäude, auch gab es weder ein
Dormitorium noch einen gemeinsamen
Speisetisch. Besucher empfingen die
Schwestern in ihren Privatwohnungen. All
diese Missstände wollte der Erzbischof
behoben wissen. Dazu aber hätte es nicht
nur eines einschneidenden geistlichen
Wandels, sondern auch kostspieliger
Baumaßnahmen bedurft. Die Klosteranlage
bestand von Anfang an - neben der Kirche
- aus einer Ansammlung von kleineren
Wohnhäusern, Stuben der
Schwestern genannt, woraus sich der
Klostername herleiten soll.
Die Reformverordnung des Erzbischofs
wurde nicht ausgeführt. Als der
Springiersbacher Abt Daniel Schilling von
Lahnstein 1550 Stuben visitierte, fand
der die beschriebenen Mängel
unverändert vor. Durch Strafandrohung
suchte er Besserung herbeizuführen,
jedoch vergeblich. Allerdings boten die
Zustände in der Abtei Springiersbach
für die Nonnen in Stuben keineswegs ein
erbauliches Vorbild.
Unter den Meisterinnen, soweit sie uns
seit 1500 bekannt sind, finden sich
klangvolle Namen aus dem moselländischen
Adel: Sophia von Nickenich ( 1506),
Katharina von Neuerburg ( 1523),
Johanna, Anna und Maria von Nickenich,
Franziska von Metzenhausen ( 1558),
Maria Zandt von Merl, Margaretha von
Metternich, Anna Margaretha Cratz von
Scharffenstein (1647 -1654), Ottilia Anna
von Ahr (1654 - 1698. Sie baute Kirche
und Klostergebäude, die im
Dreißigjährigen Krieg schwer gelitten
hatten, wieder auf), Anna Elisabeth von
Eltern (1699 - 1725), Anna Margaretha von
Wolfskehl ( 1727), Anna Ottilia
Clara Beissel von Gymnich (1727 - 1739);
Anna Charlotta von Eltz-Bodendorf (1739 -
1755), Maria Ferdinanda Freiin von Maffay
de la Serra (1755 - 1787).
Die Meistern Maria Ferdinanda leistete
dem Springiersbacher Abt Johann Heinrich
von Wassenberg am 27. Dezember 1755 den
Gehorsamseid, mit dem sie gelobte: das
geistliche Regiment, so mir jetzt
anbefohlen wird, meinem Vermögen nach
unseren Regeln und Statuten des Ordens
halten, meinen geistlichen Töchtern in
guten Exempelen vorgehen, die Wohltat
lieben und loben, die Untugend so viel
möglich strafen, das Versetzte so viel
möglich beibringen, das Versparte wohl
verwahren und meinem geistlichen Vater
und Herren mit ganzer Demut gehorsam zu
sein." Genau das Gegenteil tat
sie während ihrer 42-jährigen Amtszeit.
Unter ihr verfielen Disziplin und
geregeltes Ordensleben gänzlich;
Zwietracht vergiftete den Alltag;
Verweltlichung griff um sich. Doch das
war in der Mutterabtei Springiersbach
nicht anders, wo unter dem Abt von
Wassenberg (1728 - 1758) Zustände wie in
einem Tollhaus einrissen und seit 1758
der in Skandale verstrickte Abt Karl
Kaspar von Holtrop regierte. Es war die
Zeit des Barock, die mit ihrer
sinnenfrohen Diesseitsorientierung nicht
vor Klostermauern Halt machte.
Fast zur gleichen Zeit, als
Maria Ferdinanda von Maffay Meistern in
Stuben wurde, ließen am 13. Dezember
1755 der kurtrierische Oberst August
Freiherr von Soleren und seine Gattin
Theresia in der Pfarrkirche zu
Ehrenbreitstein eine Tochter auf den
Namen Maria Theresia taufen. Diesem
Mädchen war vorbestimmt, vierzehn Jahre
später leidvoll Bekanntschaft mit der
Stubener Meisterin zu machen. Doch bis
dahin ist in ihrem Leben wie auch in dem
der Meisterin Bemerkenswertes geschehen.
Im Frühjahr 1762 unterzog der Abt von
HoItrop Stuben einer Visitation. Auf
seinen Bericht hin erließ der Erzbischof
am 25. Juni 1762 ein Reformdekret, das
Rückschlüsse auf die Verhältnisse in
Stuben erlaubt. Unter Androhung von
Strafen verlangt der Erzbischof die
Einhaltung der klösterlichen Disziplin
und des Chordienstes und tadelt die
überhand nehmenden Besuche im Kloster.
Eindringlich verweist er darauf, daß es mit
dem geistlichen Beruf keineswegs
vereinbarlich seie, mit allerhand zumalen
zu Ausschweifungen und unanständigen
Freiheiten geneigten Mannspersonen vielen
Umgang zu haben, von selbigen öfteren
Besuch bevorab zu ungewohnten Stunden
anzunehmen. Wegen der
heruntergekommenen Wirtschaft und
eingerissenen Schuldenmacherei fordert er
die Meisterin auf, eine untadelige
Kellnerin einzustellen. Die Verwaltung
der Klosterökonomie überträgt er dem
Hausgeistlichen.
Als der Abt von Holtrop dieses Dekret
in Stuben vor versammeltem Konvent
verlas, kam es zum Eklat. Die Meisterin
erklärte sich zum höchsten
beschimpft, legte die
Hausschlüssel auf den Tisch und sagte
protestierend, sie wolle auf
solche Weise keine Schlüssel noch
Regierung führen." Da sie sich
selbst unter Strafandrohung weigerte, das
Dekret auszuführen, setzte der Abt eine
Kellnerin ein, an der die Meistern ihre
Verärgerung ausließ. Dazu bot
offensichtlich das gemeinsame Essen die
beste Gelegenheit. Im Juli 1763
berichtete der Konvent dem Erzbischof,
beim Essen zeige sich die Meisterin so
gehässig daß wir zu Tisch
nicht anderst als zur Folter gerufen zu
werden vermeinet". Zwietracht
und Missmut seien im Kloster so
abschreckend eingerissen, daß keine
Novizin mehr eintrete, obwohl der Konvent
dringend Nachwuchs benötige. Da sich die
Klagen über Stuben häuften, ordnete der
Erzbischof im Frühjahr 1764 eine neue
Visitation an, die zu dem Ergebnis
führte, daß dort eine solche
verderbliche Verwirrung und Zerrüttung
inzwischen entstanden, die den ganzen
Umsturz des Klosters [...] nach sich
ziehen könnte". Alle
Reformbemühungen fruchteten nicht.
Stuben steuerte seinem Ruin entgegen.
In diesem zerrütteten Kloster fuhr
1773 eine Pferdekutsche vor, welcher der
Freiherr August von Soleren, seine Gattin
und ein vierzehn jähriges Mädchen, die
bereits erwähnte Maria Theresia,
entstiegen. Man suchte die Meisterin auf
und stellte ihr das Mädchen als
künftige Novizin vor. Dieses aber konnte
sich trotz allen guten Zuredens nicht mit
Stuben anfreunden. Also setzte man die
Reise fort und steuerte das
Zisterzienser-Frauenkloster Machern bei
Wehlen an. Aber auch hier konnte man das
Mädchen nicht zum Eintritt bewegen.
Seine Eltern zeigten sich sehr erbost,
schimpften es ein störrisches Kind, das
die ihm gewährte Gunst, ein schönes,
erfülltes Leben im Kloster zu führen,
undankbar zurückweise.
Maria Theresia von Soleren hatte zu
diesem Zeitpunkt eine recht traurige
Kindheit hinter sich. Als sie fünf Jahre
alt war, starb ihre Mutter. Der Vater
heiratete ein zweites Mal. Die
Stiefmutter nun behandelte das kleine
Mädchen so hartherzig, daß sich eine
Tante seiner erbarmte und es bei sich
aufnahm. Auch die Tante starb, jedoch
nicht ohne Maria Theresia zu ihrer Erbin
einzusetzen. Das brachte die Stiefmutter
auf den Gedanken, sie in ein Kloster
abzuschieben; denn so konnte ihr nicht
nur das Erbe ihrer Tante, sondern auch
das ihrer Eltern vorenthalten werden. Sie
habe ins Kloster eintreten müssen, so
äußerte Maria Theresia später, um
desjenigen Rechts nicht teilhaftig zu
werden, was mir mein Dasein auf das
elterliche Vermögen sowohl als auf die
Hinterlassenschaft meiner seligen Tante
zugesichert hatte." Als sie
sich sträubte, in ein Kloster
einzutreten, wurde sie von ihrer
Stiefmutter so unter Druck gesetzt, daß
sie schließlich einwilligte. Das
vorgeschriebene Eintrittsalter von 15
Jahren, so eilig hatte man es mit ihr,
wollte man nicht abwarten, sondern machte
die Vierzehnjährige bei ihrer
Präsentation in Stuben fälschlich ein
Jahr älter. Mit 17 Jahren legte sie ihre
Profess ab und gelobte: Ich,
Schwester Maria Theresia, übertrage mich
der heiligen Kirche ... und verspreche
die Umkehr meiner Sitten und Gehorsam
nach der Kanonikerregel des heiligen
Augustinus..."
Zehn Jahre lang hielt es
Maria Theresia in Stuben aus; dann
entschloss sie sich zum Austritt aus dem
Kloster. Das aber war leichter gesagt als
getan; denn sie musste von ihrem Gelübde
befreit werden. Das zu tun, war allein
das Recht des Papstes, und kein
geringerer als der Erzbischof selbst
musste den Dispens beim Papst beantragen.
Die Stubener Meisterin von Maffay wurde
um Stellungnahme gebeten. Am 18. Dezember
1783 schrieb sie an den Erzbischof, das
Fräulein von Soleren habe 10
Jahr nach ihrer Profession sich so
auferbäulich, betselig, fromm und modest
betragen, daß sie ihren Mitschwestern
zum wahren Beispiel gedienet."
Ihren Gesinnungswandel kann sie nur so
erklären, daß sie anjetzo auf
einmal durch einen urplötzlichen
Irrgeist verblendet ... verwirrt und ganz
verdunkelt, setzet [in] in ihrer
blödigen Schwachheit auf leidige
Weltlüsten." Sie schlägt vor,
sie durch zehntägige Exerzitien zu
bekehren.
Im April 1784 bat Maria Theresia den
Springiersbacher Abt, ihren
Klosteraustritt zu befürworten. Sie
versicherte ihm, ihre Verwandten würden
für sie sorgen. Nach einigem Hin und Her
schickte die kurfürstliche Regierung den
Assessor Kopp nach Stuben, damit er an
Ort und Stelle den Fall untersuche. Er
kam zu dem Ergebnis, der Antrag des
Fräuleins von Soleren auf Befreiung vom
Gelübde sei rechtswidrig. Da sie aber
offensichtlich in Stuben nicht mehr leben
könne, solle ihr geraten werden, in ein
anderes Kloster einzutreten. Dafür
spreche auch, daß das 28-jährige
Fräulein nicht für die Welt ausgebildet
sei. Sie beherrsche auch nicht die in
ihren Standeskreisen gesprochene
französische Sprache, weshalb sie zu
eben solcher großen Welt nun nicht wohl
mehr passen könne." Für die
Ehe sei sie zu alt, denn es sei zu
erwarten, daß ein Fräulein
von 28 Jahren kaum und nur so seltener
zur Ehe begehret werde, wenn auch
Naturgaben, erworbene Geschicklichkeit,
Weltartigkeit und eine mächtige
Verwandtschaft dieselbe empfehlen."
Schließlich könne sie auch von ihrer
Familie keine Unterstützung erwarten, weil
ihre äußerst beleidigt und betrübte
Elteren nicht geneigt sein werden, einer
solchen Tochter ein mehreres zuzuwenden,
als jene nur den strengen Rechten nach
gehalten sind." Aus all dem sei
zu befürchten, daß ein Klosteraustritt
ihr "früher Tod sein
werde. In der offensichtlichen
Ausweglosigkeit ihrer Situation wagte es
Maria Theresia, sich unmittelbar an den Erzbischof,
Clemens Wenzeslaus, zu wenden. Am 2.
Juli 1784 schrieb sie ihm einen langen
Brief, in dem sie das Unrecht schilderte,
das ihr von ihren Eltern, besonders ihrer
Stiefmutter, als unmündiges Kind angetan
wurde. Die Einkleidung
erfolgte, so lesen wir, und
als mich die Larve meines Unglückes
umhüllet hatte, so sahe ich noch immer
ein Kind in mir, das die Reife nicht
hatte, die Folgen seiner geraubten
Freiheit einzusehen." Das
Ordensgelübde habe sie aus Furcht vor
der Mutter abgelegt. Dann aber habe klägliches
Nachdenken begonnen und Unzufriedenheit
sich ihrer bemächtigt wie die
täg- und nächtliche Marter einer
Sklavin, die das Recht auf ihre Freiheit
einer unerweichlichen Mutter geben
musste, um noch den Namen Kind zu
behalten." Sie habe Trost im
Gebet gesucht, jedoch vergeblich. Wer
kann mich unglücklicher nennen"
so folgert sie, als derjenige,
so mich Klosterfraue taufet?
Den Erzbischof bittet sie, sie aus ihrem Elend
zu befreien. Wenn ich Gnade
rufe, so ist sie, mich drangvoll zur
Rettung meiner Seele der Gelübden
mittels des Dispense huldvollst zu
entheben."
Erzbischof
Clemens Wenzeslaus, ein wegen seiner
Gutmütigkeit gerühmter Regent, muss der
Brief Maria Theresias zu Herzen gegangen
sein; denn gleich nach dessen Erhalt
beantragte er am 8. August 1784 bei der
päpstlichen Nuntiatur in Köln den
Gelübdedispens für die unglückliche
Ordensschwester. Am 13. November 1784
entsprach der Papst seinem Antrag. Das
Fräulein von Soleren durfte Stuben
verlassen. Aber wohin sollte die gewesene
Nonne gehen? Ihre Eltern und Verwandten
nahmen sie nicht auf. Die Stubener
Meistern setzte sie mittellos auf die
Straße. Da erbarmte sich ihrer das
Görgenkloster in Koblenz und gewährte
ihr eine Bleibe. In dem armen
Görgenkloster, das in der Nachfolge des
mildtätigen St. Martin stand, lebte sie
als die Ärmste von allen. Ihr Elend
bewog die Meistern des Klosters, Anfang
des Jahres 1785 den kurfürstlichen Rat
und Offizial Beck, gerührt
wegen dem guten Fräulein von
Soleren um Hilfe für sie zu
bitten. Dann ihre Armut und
Behelfen", so klagte sie, gehet
einem ins Herz; ich bin eine geringe
Person gegen sie, habe mich aber noch
nimmer so brauchen zu behelfen, keine
Schuhe, kein Weißzeug, das Wenige ist
mit Kurzwaschen alles zerrissen, keine
Unterkleider, noch aber daß sie mit
gelehntem Zeug noch sich erhalten muss.
[...] Die Tränen kommen mir in die
Augen, daß sie uns an Tisch auf
Christtag sagen ließe, sie könne nicht
an Tisch aus Mangel der Kleider und
Weißzeug." Auf diesen Brief
hin wurde Stuben verpflichtet,
Unterhaltszahlung für das Fräulein von
Soleren zu leisten. Im April 1785 wurden
dem Görgenkloster 110 Reichstaler für
neun Monate Unterbringung und Verpflegung
gezahlt.
Zu diesem Zeitpunkt befand sich Maria
Theresia in einem schlimmen Zustand. An
den Erzbischof schrieb sie, ihre Eltern
hätten sie verlassen und verstoßen,
obwohl sie sich sehr um ihre Liebe
bemüht habe. Der Gram über
dieses harte Betragen", so
klagt sie, "hat meiner
Gesundheit so zugesetzt, daß ich
darüber eine schwere Krankheit
bekam." Sie müsse ein Kurbad
aufsuchen. Da ihr aber dazu das Geld
fehle, solle der Kurfürst ihren Vater,
der inzwischen zum Generalmajor
befördert worden war, bewegen, für sie
zu zahlen. Der Koblenzer Stadtphysikus
attestierte ihr am 31. Mai 1785, sie
leide an Nervenfieber und
laufender Gicht, habe lange
Zeit krank gelegen und brauche ein
Mineralbad. Da sich der Vater weigerte zu
zahlen, prozessierte die Tochter gegen
ihn. Das Urteil wurde erst am 15. Januar
1788 gesprochen. Dem Generalmajor wurden
100 Reichstaler von seinem Sold
einbehalten, die je zur Hälfte an das
Fräulein von Soleren und eine Mamsel
Verlels für Kost und Logis ausbezahlt
worden sind. Offensichtlich lebte also
das Fräulein inzwischen in einer
Privatpension.
Zum letzten Mal finden wir
sie im Januar 1800 erwähnt, als es darum
ging, einen Uberschuss von 400
Reichstalern aus dem Fonds des
Clemensstifts zu verteilen. Dabei wurde
auch Maria Theresia von Soleren bedacht.
Aus dem Kloster Stuben war inzwischen
das erwähnte Clemensstift, ein
Damenstift, geworden. Im Sommer 1784
hatte der Abt von Holtrop Stuben ein
weiteres Mal visitiert. Dem Erzbischof
berichtete er am 9. September, die
Meisterin sei unfähig und bösartig und
liege mit den nur noch wenigen Nonnen im
Dauerstreit. Alle hätten sie
Privatschulden, und die Klosterwirtschaft
liege im Argen. Abhilfe könne nur noch
durch Eingreifen von außen geschehen.
Aber, so gibt der Abt zu bedenken, niemand
Vernünftiger würde sich in diese
Verwirrung hinein wagen, und sollte es
geschehen, so bürge ich, man würden
seinen Tod eher als eine Besserung
finden, indem die da Erfindlichen fast zu
Unbezähmbaren geworden." Das
Kloster Stuben war nicht mehr zu retten.
Der Abt schlug vor, es in ein Damenstift
umzuwandeln. Dem stimmte die
kurfürstliche Regierung zu, zögerte
aber, der Werk in Angriff zu nehmen. Am
6. Juni 1787 starb die Meisterin von
Maffay. Zwei Wochen später wurde der
Geistliche Rat und Dechant von St.
Paulin, Johann Michael von Pidoll, zum
Kommissar für die jetzt durchzuführende
Umwandlung ernannt. Er erfasste zuerst
den Vermögensstand des Klosters, das
über 18 Höfe und 5 Mühlen außer
Zehnt- und Zinseinkünften verfügte.
Weinhöfe besaß das Kloster in St.
Aldegund, Bremm, Neef, Stuben, Eller,
Ediger, Senheim und Ernst sowie
Fruchthöfe in Urschmitt, Beuren, Kenfus,
Schmitt, Faid, Düngenheim, Urmersbach,
Kehrig, Kollig und Gappenach. Die Mühlen
des Klosters lagen in Bremm, Urschmitt,
Urmersbach, Eller und Stuben
(Schiffsmühle). Die Einkünfte des
Klosters beliefen sich auf jährlich
3.984 Reichstaler. Stuben war also
keineswegs arm, sondern nur
heruntergewirtschaftet.
Nach den Statuten des Damenstifts von
1788 sollte dieses außer einer Äbtissin
sechs Kapitularinnen zählen, die aus der
Reichsritterschaft Niederrhein stammten.
Die in Schwarz gekleideten Stiftsdamen
legten kein Gelübde ab, sondem gelobten
nur dem Erzbischof und dem Stift Treue.
Sie durften jederzeit aus dem Stift
austreten. Zu diesem Zeitpunkt lebten in
Stuben noch sieben Nonnen. Keine von
ihnen erstrebte Dispens vom
Ordensgelübde; die Älteren sprachen
sich dafür aus, in Stuben zu bleiben,
die Jüngeren zeigten sich bereit, in
andere Klöster zu wechseln. Nur eine
Nonne wurde in das Damenstift
aufgenommen. Die Anderen, so wird in
einer St. Aldegunder Weinchronik
festgehalten, wurden den Winter
[17]89 in einer Kutsche über Eis nach
Koblenz geführt, wo sie freigestellt
wurden, und konnten hingehen, wo sie
wollten." Den Stiftsdamen war
in Stuben nur eine kurze Verweilzeit
beschieden. Sie sind geflohen, als im
Herbst 1794 französische
Revolutionstruppen einmarschierten und
sind nicht mehr zurückgekehrt. Das
definitive Ende Stubens kam mit der
Säkularisation von 1802. Die Güter des
Damenstifts wurden versteigert.
Zurückgeblieben sind aus einer langen
Geschichte nur die Ruinen der ehemaligen
Klosterkirche.
|