Geschichtliche Parallelen Geschichte und Anekdoten von Bremm und Kloster Stuben
Prof. Dr. Erwin Schaar, 2003 Maria Theresia von Soleren

Maria Theresia von Soleren

Das Schicksal einer Nonne
im Augustinerinnenkloster Stuben

von Prof. Dr. Erwin Schaar, 2003

Springiersbach feierte im August 2002 sein 900-jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass wurde die Geschichte dieses Ortes aufgearbeitet und als Buch veröffentlicht. Rund 700 Jahre lang war Springiersbach eine Augustiner-Chorherrenabtei. Wer sich mit ihrer Geschichte befasst, kann nicht umhin, sich auch der Geschichte des Augustinerinnenklosters Stuben an der Mosel zuzuwenden; denn dieses Kloster wurde von dem großen Springiersbacher Abt Richard gegründet und unterstand bis zu seiner Umwandlung in ein Damenstift (1788/89) der Mutterabtei am Kondelwald.

Stuben hat allgemein in der Klostergeschichte keinen guten Namen. Es soll nicht gerade ein Ort großer Frömmigkeit und vorbildlichen christlichen Lebenswandels gewesen sein. In der Tat stellen ihm die überlieferten Quellen kein gutes Zeugnis aus. Doch sollte man nicht voreilig und unbesehen den Stab über die Nonnen brechen, die in Stuben lebten. Zu dieser Einsicht kommt man, wenn man sich z. B. in das Schicksal der Maria Theresia von Soleren vertieft, die es im Kindesalter nach Stuben verschlagen hat. Über sie ist eine sehr aufschlussreiche Akte erhalten geblieben. Doch ehe wir uns dieser zuwenden, verfolgen wir zuerst in Grundzügen die geschichtliche Entwicklung Stubens und werfen so auch einen Blick in das Innenleben des Klosters.

Stuben darf sich rühmen, das erste Frauenkloster zwischen Trier und Koblenz gewesen zu sein. Ein Mann mit Namen Egelolf, vermutlich ein Ministeriale, übertrug um 1137 dem Abt Richard von Springiersbach ein Haus, eine St. Nikolaus geweihte Kapelle und einen Weinberg auf einer Halbinsel gegenüber Bremm, damit er dort eine Klosterzelle errichte, in der seine Tochter Gisela und andere Jungfrauen dem „armen Jesus“ nach der Ordensregel des hl. Augustinus zu folgen gedachten. Richard machte sich sogleich ans Werk. Das neue Kloster „auf der Insel St. Nikolai in Stuppa“ wurde 1137 durch den Trierer Erzbischof Albero und 1139 durch den Papst Innozenz II. bestätigt.

Richard bemühte sich, dem Kloster durch Ankauf von Grundbesitz eine sichere materielle Grundlage zu geben. Hinzu kamen Schenkungen des Pfalzgrafen Wilhelm von Ballenstedt und mehrerer Trierer Erzbischöfe. An Stelle der Nikolauskapelle wurde eine neue Kirche errichtet, die Erzbischof Johann von Trier 1190 feierlich einweihte.

Ursprünglich stand Stuben Frauen aus allen Ständen offen. Vermutlich waren es vor allem Töchter von Ministerialen, die das Kloster aufsuchten. Als sich aber der Ministerialenstand im 13. Jahrhundert zum Ritterstand, dem niederen Adel, weiterentwickelte, wurde Stuben zur Versorgungsstätte von Adelstöchtern. Sicher traten auch Novizinnen aus innerer Berufung zum klösterlichen Leben ein; vermutlich aber waren sie die Ausnahme; denn es war zur Regel geworden, daß Mädchen in unmündigem Alter von ihren Eltern ins Kloster eingewiesen wurden und schon mit 16 Jahren die Profess, d.h. das Ordensgelübde ablegten. Danach gab es für sie grundsätzlich kein Entrinnen mehr aus dem Kloster. Verbitterung über das unfreiwillige Nonnendasein machte sich breit. Der strenge ausgedehnte Chordienst der Augustinerinnen wurde als lästige Pflicht empfunden. Schwer mag es mancher Schwester gefallen sein, sich gehorsam der Meisterin unterzuordnen, und das besonders dann, wenn diese kein Vorbild war, was häufig genug so gewesen ist. Zu all dem kam hinzu, daß die Adelstöchter ihr Standesbewusstsein oder gar ihren Standesdünkel nicht mit ihren weltlichen Gewändern ablegten. Auch als Nonnen wollten sie standesgemäß leben und pflegten dabei manche Eitelkeit. Das war in der Mutterabtei Springiersbach, in der Rittersöhne den Konvent beherrschten, keineswegs anders. Stuben war bereits im späten Mittelalter ein reines Adelskloster. Um seine innere Disziplin und die Beachtung der Ordensregel war es schlecht bestellt.

Einblick in die Verhältnisse in Stuben gewährt eine Reformverordnung des Trierer Erzbischofs Richard von Greiffenklau aus dem Jahre 1511. Richard hatte das Kloster einer Visitation unterzogen, die sich als nötig erwies, weil die Nonnen unter sich so zerstritten waren, daß sie sich nicht auf die Wahl einer neuen Meisterin einigen konnte. Der Erzbischof befahl ihnen, binnen 14 Tagen eine Meisterin zu wählen. Strenge Aufsicht tue dem Kloster Not, stellte er fest, damit „ein ehrbar, göttlich und züchtig Wesen gehalten“ werde. Bemängelt wurde die Vernachlässigung des Chordienstes und die Missachtung der Regeln des Gemeinschaftslebens. Die Schwestern lebten in separaten Wohnungen, stellten Mägde ein und betrieben sogar eigene Viehhaltung. Es bestand kein Konventsgebäude, auch gab es weder ein Dormitorium noch einen gemeinsamen Speisetisch. Besucher empfingen die Schwestern in ihren Privatwohnungen. All diese Missstände wollte der Erzbischof behoben wissen. Dazu aber hätte es nicht nur eines einschneidenden geistlichen Wandels, sondern auch kostspieliger Baumaßnahmen bedurft. Die Klosteranlage bestand von Anfang an - neben der Kirche - aus einer Ansammlung von kleineren Wohnhäusern, „Stuben“ der Schwestern genannt, woraus sich der Klostername herleiten soll.

Die Reformverordnung des Erzbischofs wurde nicht ausgeführt. Als der Springiersbacher Abt Daniel Schilling von Lahnstein 1550 Stuben visitierte, fand der die beschriebenen Mängel unverändert vor. Durch Strafandrohung suchte er Besserung herbeizuführen, jedoch vergeblich. Allerdings boten die Zustände in der Abtei Springiersbach für die Nonnen in Stuben keineswegs ein erbauliches Vorbild.

Unter den Meisterinnen, soweit sie uns seit 1500 bekannt sind, finden sich klangvolle Namen aus dem moselländischen Adel: Sophia von Nickenich († 1506), Katharina von Neuerburg († 1523), Johanna, Anna und Maria von Nickenich, Franziska von Metzenhausen († 1558), Maria Zandt von Merl, Margaretha von Metternich, Anna Margaretha Cratz von Scharffenstein (1647 -1654), Ottilia Anna von Ahr (1654 - 1698. Sie baute Kirche und Klostergebäude, die im Dreißigjährigen Krieg schwer gelitten hatten, wieder auf), Anna Elisabeth von Eltern (1699 - 1725), Anna Margaretha von Wolfskehl († 1727), Anna Ottilia Clara Beissel von Gymnich (1727 - 1739); Anna Charlotta von Eltz-Bodendorf (1739 - 1755), Maria Ferdinanda Freiin von Maffay de la Serra (1755 - 1787).

Die Meistern Maria Ferdinanda leistete dem Springiersbacher Abt Johann Heinrich von Wassenberg am 27. Dezember 1755 den Gehorsamseid, mit dem sie gelobte: „das geistliche Regiment, so mir jetzt anbefohlen wird, meinem Vermögen nach unseren Regeln und Statuten des Ordens halten, meinen geistlichen Töchtern in guten Exempelen vorgehen, die Wohltat lieben und loben, die Untugend so viel möglich strafen, das Versetzte so viel möglich beibringen, das Versparte wohl verwahren und meinem geistlichen Vater und Herren mit ganzer Demut gehorsam zu sein." Genau das Gegenteil tat sie während ihrer 42-jährigen Amtszeit. Unter ihr verfielen Disziplin und geregeltes Ordensleben gänzlich; Zwietracht vergiftete den Alltag; Verweltlichung griff um sich. Doch das war in der Mutterabtei Springiersbach nicht anders, wo unter dem Abt von Wassenberg (1728 - 1758) Zustände wie in einem Tollhaus einrissen und seit 1758 der in Skandale verstrickte Abt Karl Kaspar von Holtrop regierte. Es war die Zeit des Barock, die mit ihrer sinnenfrohen Diesseitsorientierung nicht vor Klostermauern Halt machte.

Fast zur gleichen Zeit, als Maria Ferdinanda von Maffay Meistern in Stuben wurde, ließen am 13. Dezember 1755 der kurtrierische Oberst August Freiherr von Soleren und seine Gattin Theresia in der Pfarrkirche zu Ehrenbreitstein eine Tochter auf den Namen Maria Theresia taufen. Diesem Mädchen war vorbestimmt, vierzehn Jahre später leidvoll Bekanntschaft mit der Stubener Meisterin zu machen. Doch bis dahin ist in ihrem Leben wie auch in dem der Meisterin Bemerkenswertes geschehen. Im Frühjahr 1762 unterzog der Abt von HoItrop Stuben einer Visitation. Auf seinen Bericht hin erließ der Erzbischof am 25. Juni 1762 ein Reformdekret, das Rückschlüsse auf die Verhältnisse in Stuben erlaubt. Unter Androhung von Strafen verlangt der Erzbischof die Einhaltung der klösterlichen Disziplin und des Chordienstes und tadelt die überhand nehmenden Besuche im Kloster. Eindringlich verweist er darauf, daß es „mit dem geistlichen Beruf keineswegs vereinbarlich seie, mit allerhand zumalen zu Ausschweifungen und unanständigen Freiheiten geneigten Mannspersonen vielen Umgang zu haben, von selbigen öfteren Besuch bevorab zu ungewohnten Stunden anzunehmen.“ Wegen der heruntergekommenen Wirtschaft und eingerissenen Schuldenmacherei fordert er die Meisterin auf, eine untadelige Kellnerin einzustellen. Die Verwaltung der Klosterökonomie überträgt er dem Hausgeistlichen.

Als der Abt von Holtrop dieses Dekret in Stuben vor versammeltem Konvent verlas, kam es zum Eklat. Die Meisterin erklärte sich „zum höchsten beschimpft“, legte die Hausschlüssel auf den Tisch und sagte protestierend, „sie wolle auf solche Weise keine Schlüssel noch Regierung führen." Da sie sich selbst unter Strafandrohung weigerte, das Dekret auszuführen, setzte der Abt eine Kellnerin ein, an der die Meistern ihre Verärgerung ausließ. Dazu bot offensichtlich das gemeinsame Essen die beste Gelegenheit. Im Juli 1763 berichtete der Konvent dem Erzbischof, beim Essen zeige sich die Meisterin so gehässig „daß wir zu Tisch nicht anderst als zur Folter gerufen zu werden vermeinet". Zwietracht und Missmut seien im Kloster so abschreckend eingerissen, daß keine Novizin mehr eintrete, obwohl der Konvent dringend Nachwuchs benötige. Da sich die Klagen über Stuben häuften, ordnete der Erzbischof im Frühjahr 1764 eine neue Visitation an, die zu dem Ergebnis führte, daß dort eine „solche verderbliche Verwirrung und Zerrüttung inzwischen entstanden, die den ganzen Umsturz des Klosters [...] nach sich ziehen könnte". Alle Reformbemühungen fruchteten nicht. Stuben steuerte seinem Ruin entgegen.

In diesem zerrütteten Kloster fuhr 1773 eine Pferdekutsche vor, welcher der Freiherr August von Soleren, seine Gattin und ein vierzehn jähriges Mädchen, die bereits erwähnte Maria Theresia, entstiegen. Man suchte die Meisterin auf und stellte ihr das Mädchen als künftige Novizin vor. Dieses aber konnte sich trotz allen guten Zuredens nicht mit Stuben anfreunden. Also setzte man die Reise fort und steuerte das Zisterzienser-Frauenkloster Machern bei Wehlen an. Aber auch hier konnte man das Mädchen nicht zum Eintritt bewegen. Seine Eltern zeigten sich sehr erbost, schimpften es ein störrisches Kind, das die ihm gewährte Gunst, ein schönes, erfülltes Leben im Kloster zu führen, undankbar zurückweise.

Maria Theresia von Soleren hatte zu diesem Zeitpunkt eine recht traurige Kindheit hinter sich. Als sie fünf Jahre alt war, starb ihre Mutter. Der Vater heiratete ein zweites Mal. Die Stiefmutter nun behandelte das kleine Mädchen so hartherzig, daß sich eine Tante seiner erbarmte und es bei sich aufnahm. Auch die Tante starb, jedoch nicht ohne Maria Theresia zu ihrer Erbin einzusetzen. Das brachte die Stiefmutter auf den Gedanken, sie in ein Kloster abzuschieben; denn so konnte ihr nicht nur das Erbe ihrer Tante, sondern auch das ihrer Eltern vorenthalten werden. Sie habe ins Kloster eintreten müssen, so äußerte Maria Theresia später, „um desjenigen Rechts nicht teilhaftig zu werden, was mir mein Dasein auf das elterliche Vermögen sowohl als auf die Hinterlassenschaft meiner seligen Tante zugesichert hatte." Als sie sich sträubte, in ein Kloster einzutreten, wurde sie von ihrer Stiefmutter so unter Druck gesetzt, daß sie schließlich einwilligte. Das vorgeschriebene Eintrittsalter von 15 Jahren, so eilig hatte man es mit ihr, wollte man nicht abwarten, sondern machte die Vierzehnjährige bei ihrer Präsentation in Stuben fälschlich ein Jahr älter. Mit 17 Jahren legte sie ihre Profess ab und gelobte: „Ich, Schwester Maria Theresia, übertrage mich der heiligen Kirche ... und verspreche die Umkehr meiner Sitten und Gehorsam nach der Kanonikerregel des heiligen Augustinus..."

Zehn Jahre lang hielt es Maria Theresia in Stuben aus; dann entschloss sie sich zum Austritt aus dem Kloster. Das aber war leichter gesagt als getan; denn sie musste von ihrem Gelübde befreit werden. Das zu tun, war allein das Recht des Papstes, und kein geringerer als der Erzbischof selbst musste den Dispens beim Papst beantragen. Die Stubener Meisterin von Maffay wurde um Stellungnahme gebeten. Am 18. Dezember 1783 schrieb sie an den Erzbischof, das Fräulein von Soleren habe „10 Jahr nach ihrer Profession sich so auferbäulich, betselig, fromm und modest betragen, daß sie ihren Mitschwestern zum wahren Beispiel gedienet." Ihren Gesinnungswandel kann sie nur so erklären, daß sie „anjetzo auf einmal durch einen urplötzlichen Irrgeist verblendet ... verwirrt und ganz verdunkelt, setzet [in] in ihrer blödigen Schwachheit auf leidige Weltlüsten." Sie schlägt vor, sie durch zehntägige Exerzitien zu bekehren.

Im April 1784 bat Maria Theresia den Springiersbacher Abt, ihren Klosteraustritt zu befürworten. Sie versicherte ihm, ihre Verwandten würden für sie sorgen. Nach einigem Hin und Her schickte die kurfürstliche Regierung den Assessor Kopp nach Stuben, damit er an Ort und Stelle den Fall untersuche. Er kam zu dem Ergebnis, der Antrag des Fräuleins von Soleren auf Befreiung vom Gelübde sei rechtswidrig. Da sie aber offensichtlich in Stuben nicht mehr leben könne, solle ihr geraten werden, in ein anderes Kloster einzutreten. Dafür spreche auch, daß das 28-jährige Fräulein nicht für die Welt ausgebildet sei. Sie beherrsche auch nicht die in ihren Standeskreisen gesprochene französische Sprache, weshalb sie „zu eben solcher großen Welt nun nicht wohl mehr passen könne." Für die Ehe sei sie zu alt, denn es sei zu erwarten, „daß ein Fräulein von 28 Jahren kaum und nur so seltener zur Ehe begehret werde, wenn auch Naturgaben, erworbene Geschicklichkeit, Weltartigkeit und eine mächtige Verwandtschaft dieselbe empfehlen." Schließlich könne sie auch von ihrer Familie keine Unterstützung erwarten, „weil ihre äußerst beleidigt und betrübte Elteren nicht geneigt sein werden, einer solchen Tochter ein mehreres zuzuwenden, als jene nur den strengen Rechten nach gehalten sind." Aus all dem sei zu befürchten, daß ein Klosteraustritt ihr "früher Tod“ sein werde. In der offensichtlichen Ausweglosigkeit ihrer Situation wagte es Maria Theresia, sich unmittelbar an den Erzbischof, Clemens Wenzeslaus, zu wenden. Am 2. Juli 1784 schrieb sie ihm einen langen Brief, in dem sie das Unrecht schilderte, das ihr von ihren Eltern, besonders ihrer Stiefmutter, als unmündiges Kind angetan wurde. „Die Einkleidung erfolgte“, so lesen wir, „und als mich die Larve meines Unglückes umhüllet hatte, so sahe ich noch immer ein Kind in mir, das die Reife nicht hatte, die Folgen seiner geraubten Freiheit einzusehen." Das Ordensgelübde habe sie aus Furcht vor der Mutter abgelegt. Dann aber habe „klägliches Nachdenken“ begonnen und „Unzufriedenheit“ sich ihrer bemächtigt wie „die täg- und nächtliche Marter einer Sklavin, die das Recht auf ihre Freiheit einer unerweichlichen Mutter geben musste, um noch den Namen Kind zu behalten." Sie habe Trost im Gebet gesucht, jedoch vergeblich. „Wer kann mich unglücklicher nennen"‚ so folgert sie, „als derjenige, so mich Klosterfraue taufet?“ Den Erzbischof bittet sie, sie aus ihrem „Elend“ zu befreien. „Wenn ich Gnade rufe, so ist sie, mich drangvoll zur Rettung meiner Seele der Gelübden mittels des Dispense huldvollst zu entheben."

Erzbischof Clemens Wenzeslaus, ein wegen seiner Gutmütigkeit gerühmter Regent, muss der Brief Maria Theresias zu Herzen gegangen sein; denn gleich nach dessen Erhalt beantragte er am 8. August 1784 bei der päpstlichen Nuntiatur in Köln den Gelübdedispens für die unglückliche Ordensschwester. Am 13. November 1784 entsprach der Papst seinem Antrag. Das Fräulein von Soleren durfte Stuben verlassen. Aber wohin sollte die gewesene Nonne gehen? Ihre Eltern und Verwandten nahmen sie nicht auf. Die Stubener Meistern setzte sie mittellos auf die Straße. Da erbarmte sich ihrer das Görgenkloster in Koblenz und gewährte ihr eine Bleibe. In dem armen Görgenkloster, das in der Nachfolge des mildtätigen St. Martin stand, lebte sie als die Ärmste von allen. Ihr Elend bewog die Meistern des Klosters, Anfang des Jahres 1785 den kurfürstlichen Rat und Offizial Beck, „gerührt wegen dem guten Fräulein von Soleren“ um Hilfe für sie zu bitten. „Dann ihre Armut und Behelfen", so klagte sie, „gehet einem ins Herz; ich bin eine geringe Person gegen sie, habe mich aber noch nimmer so brauchen zu behelfen, keine Schuhe, kein Weißzeug, das Wenige ist mit Kurzwaschen alles zerrissen, keine Unterkleider, noch aber daß sie mit gelehntem Zeug noch sich erhalten muss. [...] Die Tränen kommen mir in die Augen, daß sie uns an Tisch auf Christtag sagen ließe, sie könne nicht an Tisch aus Mangel der Kleider und Weißzeug." Auf diesen Brief hin wurde Stuben verpflichtet, Unterhaltszahlung für das Fräulein von Soleren zu leisten. Im April 1785 wurden dem Görgenkloster 110 Reichstaler für neun Monate Unterbringung und Verpflegung gezahlt.

Zu diesem Zeitpunkt befand sich Maria Theresia in einem schlimmen Zustand. An den Erzbischof schrieb sie, ihre Eltern hätten sie verlassen und verstoßen, obwohl sie sich sehr um ihre Liebe bemüht habe. „Der Gram über dieses harte Betragen", so klagt sie, "hat meiner Gesundheit so zugesetzt, daß ich darüber eine schwere Krankheit bekam." Sie müsse ein Kurbad aufsuchen. Da ihr aber dazu das Geld fehle, solle der Kurfürst ihren Vater, der inzwischen zum Generalmajor befördert worden war, bewegen, für sie zu zahlen. Der Koblenzer Stadtphysikus attestierte ihr am 31. Mai 1785, sie leide an „Nervenfieber und laufender Gicht“, habe lange Zeit krank gelegen und brauche ein Mineralbad. Da sich der Vater weigerte zu zahlen, prozessierte die Tochter gegen ihn. Das Urteil wurde erst am 15. Januar 1788 gesprochen. Dem Generalmajor wurden 100 Reichstaler von seinem Sold einbehalten, die je zur Hälfte an das Fräulein von Soleren und eine Mamsel Verlels für Kost und Logis ausbezahlt worden sind. Offensichtlich lebte also das Fräulein inzwischen in einer Privatpension.

Zum letzten Mal finden wir sie im Januar 1800 erwähnt, als es darum ging, einen Uberschuss von 400 Reichstalern aus dem Fonds des Clemensstifts zu verteilen. Dabei wurde auch Maria Theresia von Soleren bedacht.

Aus dem Kloster Stuben war inzwischen das erwähnte Clemensstift, ein Damenstift, geworden. Im Sommer 1784 hatte der Abt von Holtrop Stuben ein weiteres Mal visitiert. Dem Erzbischof berichtete er am 9. September, die Meisterin sei unfähig und bösartig und liege mit den nur noch wenigen Nonnen im Dauerstreit. Alle hätten sie Privatschulden, und die Klosterwirtschaft liege im Argen. Abhilfe könne nur noch durch Eingreifen von außen geschehen. Aber, so gibt der Abt zu bedenken, „niemand Vernünftiger würde sich in diese Verwirrung hinein wagen, und sollte es geschehen, so bürge ich, man würden seinen Tod eher als eine Besserung finden, indem die da Erfindlichen fast zu Unbezähmbaren geworden." Das Kloster Stuben war nicht mehr zu retten. Der Abt schlug vor, es in ein Damenstift umzuwandeln. Dem stimmte die kurfürstliche Regierung zu, zögerte aber, der Werk in Angriff zu nehmen. Am 6. Juni 1787 starb die Meisterin von Maffay. Zwei Wochen später wurde der Geistliche Rat und Dechant von St. Paulin, Johann Michael von Pidoll, zum Kommissar für die jetzt durchzuführende Umwandlung ernannt. Er erfasste zuerst den Vermögensstand des Klosters, das über 18 Höfe und 5 Mühlen außer Zehnt- und Zinseinkünften verfügte. Weinhöfe besaß das Kloster in St. Aldegund, Bremm, Neef, Stuben, Eller, Ediger, Senheim und Ernst sowie Fruchthöfe in Urschmitt, Beuren, Kenfus, Schmitt, Faid, Düngenheim, Urmersbach, Kehrig, Kollig und Gappenach. Die Mühlen des Klosters lagen in Bremm, Urschmitt, Urmersbach, Eller und Stuben (Schiffsmühle). Die Einkünfte des Klosters beliefen sich auf jährlich 3.984 Reichstaler. Stuben war also keineswegs arm, sondern nur heruntergewirtschaftet.

Nach den Statuten des Damenstifts von 1788 sollte dieses außer einer Äbtissin sechs Kapitularinnen zählen, die aus der Reichsritterschaft Niederrhein stammten. Die in Schwarz gekleideten Stiftsdamen legten kein Gelübde ab, sondem gelobten nur dem Erzbischof und dem Stift Treue. Sie durften jederzeit aus dem Stift austreten. Zu diesem Zeitpunkt lebten in Stuben noch sieben Nonnen. Keine von ihnen erstrebte Dispens vom Ordensgelübde; die Älteren sprachen sich dafür aus, in Stuben zu bleiben, die Jüngeren zeigten sich bereit, in andere Klöster zu wechseln. Nur eine Nonne wurde in das Damenstift aufgenommen. Die Anderen, so wird in einer St. Aldegunder Weinchronik festgehalten, „wurden den Winter [17]89 in einer Kutsche über Eis nach Koblenz geführt, wo sie freigestellt wurden, und konnten hingehen, wo sie wollten." Den Stiftsdamen war in Stuben nur eine kurze Verweilzeit beschieden. Sie sind geflohen, als im Herbst 1794 französische Revolutionstruppen einmarschierten und sind nicht mehr zurückgekehrt. Das definitive Ende Stubens kam mit der Säkularisation von 1802. Die Güter des Damenstifts wurden versteigert. Zurückgeblieben sind aus einer langen Geschichte nur die Ruinen der ehemaligen Klosterkirche.


Die Texte wurden vom Originaldokument (mit evtl. Fehlern) übernommen, ohne Anpassung an die aktuelle deutsche Rechtschreibung. Text-Quelle: Heimatjahrbuch des Landkreises Cochem-Zell von 2003
mit Zeichnungen von William Turner (englischer Maler 1775 - 1851)
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