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Alois Frölich, 1926 |
Vom früheren
Weiberfastnacht in Bremm |
Vom früheren
Weiberfastnacht in Bremm
Alois Frölich, 1926
Tschinkta bumm, zinkta bumm, tätera
bumm bumm! Trommelschlag,
Trompetenschall! Ein sonderbarer Zug
zieht durch das sonst so stille
Moseldörfchen. Lauter Weiber folgen in
komischem Gleichschritt der Dorfkapelle.
Junge und alte, im Sonntagsstaat,
Narrenkappen auf den Köpfen, mit bunten
grellfarbigen Tüchern und Bändern
geschmückt, so ziehen sie daher.
Tschinkta bumm tara ta bumm, so echot es
aus den Kaulen des Kalmonts. Wie die
Weiber zischen und lachen und sich
necken! Ja, heute ist ihr Tag. Heute
wollen sie Fastnacht feiern. Die zwei
vorhergehenden Tage waren für die
Männer und für die Jugend. Der heutige
Fastnacht, der Fastnachtdienstag, ist nur
für die verheirateten Frauen. Eine
ledige darf nicht am Umzug und Gelage
teilnehmen. Heute trinken sie eine Ohm
Wein, 180 Quart, die sie von der Kirche
erhalten. Im Herbst hatte jeder Bürger
Most beigesteuert, 20 Quart, 15 Quart
oder auch weniger, je nach Vermögen,
sodass 2 Ohm zusammenkamen. Eine Ohm
wurde als Messwein gebraucht, die andere
tranken früher die Männer zu Fastnacht.
Nachher beschwerten sich die Frauen; sie
wollten die Ohm Wein haben, die Männer
gingen das ganze Jahr ins Wirtshaus, und
nun wollten sie einen Tag haben, an dem
sie die köstlichen Tropfen tranken.
Tätera bumm bumm! Krankheit gab es
heute nicht. Sobald das Kalbfell lockte,
waren Schmerzen und Wehen geschwunden.
Besser wirkte das als Doktor und Arznei.
Manches Weiblein, das von Reißen und
Zipperlein geplagt wurde, schritt so
leicht dahin, als gäbe es weder
Hexenschuss noch sonstige Gebrechen.
Mochten auch die Kinder schreien.
Dreihundertvierundsechzig Tage im Jahre
mussten sie die Kinder hüten, nun
konnten wenigstens an einem Tage die
Rollen vertauscht sein. Die Männer
konnten Kinder halten, Wiegen schaukeln
und die Kleinen mit Milchsüpplein
füttern.
Tschinktara bumm, tschinktara ta bumm!
Immer größer wurde der Zug. Vorauf die
Jugend, die ja nicht fehlt, wenn im Dorf
ein Umzug ist. Dahinter schwenkte das
Hampitts Liß die Weiberfahne, stolz wie
eine Amazone. Ihr folgte die Dorfkapelle,
und dahinter schritten die besseren
Hälften in gewisser Ordnung. Vor jedem
Hause, in der eine junge Frau wohnte, die
seit dem letzten Fastnacht vermeiert und
unter die Haube gekommen ist, wird Halt
gemacht. Die junge Frau wird
herausgerufen, tritt ein in die Reihen
und zieht mit, im Arm einen mächtigen
Henkelkorb. So wird jede junge Frau
abgeholt. Das dauert recht lange, wenn in
einem Jahre viele Eheschließungen
stattgefunden haben.
Der Zug geht zum Tanzsaal. Dort liegt
das Fässchen mit dem edlen Saft und
harrt der Zecherinnen. Daneben der Franz,
der Flurschütz, angetan mit der blauen
Schürze. Den Zapfen schlägt er ein.
Streicht sich den langen Bart und
probiert mit Kennermiene den Rieslingtee.
Während das Liß die Fahne durch ein
Fenster steckt, nehmen die anderen Frauen
Platz, jede an ihrem Tisch, denn in sechs
Tische ist der Ort eingeteilt. Vorn nimmt
die Mariann in komisch ernsthafter Pose
Aufstellung, mit der rechten einen
mächtigen Hausschlüssel schwingend.
Neben sie pflanzt sich die Gritt mit
Palmbüschel und Wasser auf. Jede junge
Frau tritt vor die Mariann, die ihr mit
dem Schlüssel auf den Kopf tupft, als
Zeichen dafür, dass sie im Hause
dasselbe Recht hat wie der Mann. Hierauf
taucht die Gritt den Wedel in das Wasser
und besprengt sie damit. Nun ist die
junge Frau vollwertig den älteren und
hat ein Anrecht, in jedem Jahre an Umzug
und Gelage teilzunehmen.
Als die Ammi, eine stille, anmutige
junge Frau, an die Reihe kommt und den
Blondkopf zum Schlüsselschlag neigt,
blitzt es auf in Marianns Augen. Ammi
hatte nach ihrer Meinung ihrer Jüngsten
den Schatz weggeschnappt. Nun soll die
wat extras haben. Fest tupft
sie auf den Scheitel, sodass sich der
Blondkopf duckt vor Schmerz. Doch niemand
wagt eine Einwendung, zu sehr fürchtet
man Marianns scharfe, rücksichtslose
Beredsamkeit.
Dann hebt das Zechen an. Franz, der
Langbart, habt viel zu zapfen und zu
schenken. Jede junge Frau reicht allen
anderen an ihrem Tisch einen Weck. Ist
aber eine Base darunter, so erhält die
einen großen Weck mit Zucker bestreut;
dabei herrscht frohes Geplauder. Immer
lebhafter wird das, immer lauter. Der
Oktobertee wirkt, mach die Zunge noch
geschwätziger. Oh, da schwirrt es von
Geplapper und Tuscheln und Kichern und
Lachen. Am ganzen obern und untern
Gestade hört man es, zum Grauen der
Männer. Und dann wird Narretei
getrieben. Bald bilden sie Paare. Und
getanzt wird Walzer und Polka. Doch die
Quart zeigen ihre Kraft. Schneller wird
der Tanz, wilder die Sprünge! Ein
Hexentanz.
Wehe dem Manne, der es wagt, den Saal
zu betreten! Von allen Weibern wird er
überfallen; sämtlichen Knöpfe am Anzug
werden ihm abgeschnitten. Er wird mit
Püffen und Stößen unter Spott und
Gelächter hinausgetanzt. Nur der Franz,
der Schenke, und mit ihm die Musikanten
dürfen bleiben.
Spät wird es, whe die Schönen sich
trennen und ihren Ehegespons, der,
ermüdet von ungewohnter Arbeit, sein
Pfeifchen im stillen Winkel raucht,
aufsuchen.
So war es in der guten alten Zeit. Als
die Sitte entartete und zur Unsitte
wurde, verbot sie die geistliche
Behörde. Da ging es wie ein Aufatmen
durch die Männerwelt von Bremm. Und
heute noch segnet sie den geistlichen
Herrn, der hier mit starker Hand Wandel
schaffte.
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