HISTORIA BREMVM - Die Geschichte(n) der Ortsgemeinde Bremm an der Mosel
"Ihr Bremmer Knutze..."
    von Rolf Goergen
Pfarrkirche St. Laurentius, Preußische Meßbildanstalt, Berlin
Quelle: Buch "An der Mosel entlang", Verlag Ludwig Simon, München
Weitere historische Fotos finden Sie im
Alten Fotoalbum von Bremm an der Mosel
"...wo die annere Leut die Köpp han, habt ihr Dutze“, donnerte der Pastor in der kleinen, aber feinen Kirche zu Bremm an der Mosel, daß selbst die stattliche Figur des heiligen Laurentius am Hauptaltar das große Zittern bekam. Und weiter: „Eine Karre voll Lohe ist euch armen Sündern wichtiger, als die Heiligmachende Gnade!“

Was war geschehen? Was hatte den Gottesmann derart erzürnt, daß er den von harter Knochenarbeit und religiöser Demut gebeugten Gestalten so deftig die Leviten las? Nun, die Geschichte spielte sich - so sagt man - in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg am Fronleichnamstag ab. Die Menschen der kargen Gegend zwischen Hunsrück und Eifel waren in jenen Jahren noch ärmer als die Mäuse der Pfarrkirche Laurentius. Arbeitsplätze gab es kaum und Tourismus ein absolutes Fremdwort. Die Leute lebten von dem, was die Natur ihnen gab. Und das war nicht gerade viel: Etwas Wein und Obst, ein paar Zentner Kartoffeln, ein wenig Korn und gelegentlich mal ein Stück Wild(-fleisch), das sich „rein zufällig“ in einer achtlos weggeworfenen Drahtschlaufe stranguliert hatte - und natürlich Lohe (Rinde der Niederwald-Eichen), die für ein paar Mark an die umliegenden Gerbereien verkauft wurde.

Technische Hilfsmittel wie Auto, Traktor und Motorsäge waren unbekannt. Das einzige zur Verfügung stehende Transportmittel war oftmals nur eine zweirädrige Karre mit zusätzlichem Zugseil. Die An- und Abmärsche zur weit entfernten Feld- und Waldarbeit bedeuteten härtesten Körpereinsatz - und immens viel Zeit. Um diesen Aufwand auf ein halbwegs erträgliches Maß zu reduzieren, verbrachte man nicht selten einige Tage - und Nächte - draußen in Gottes freier Natur. Da kam es durchaus schon mal vor, daß jegliches Zeitgefühl abhanden kam. Und genau das widerfuhr einigen Männern, die im Distrikt „Sudert“ - weit entfernt vom Dorf - tagelang im steil zum Erdenbach abfallenden Niederwaldhang Lohe geschält hatten. Vollgepackt mit der wertvollen Fracht, kämpften sich die müden, unrasierten Gestalten nach tagelanger Einsamkeit über schlechte, tiefgleisige Wege zunächst bis Beuren. Dort wurde noch mal eine Rast eingelegt, um den restlichen „Fluppes“ (legendärer Haustrunk der ärmsten Winzer) herunterzukippen. Dann ging‘s weiter. Nach stundenlanger, kräftezehrender Fahrt bogen die Männer schließlich mit dem knarrenden und ächzenden Gefährt über holpriges Kopfsteinpflaster ins Dorf ein - und landeten, o Schreck, mitten in der Fronleichnams-Prozession. Nun, da ich sonst eher praxisorientierte Jagdgeschichten aufschreibe, wird sich jetzt so mancher Leser die berechtigte Frage stellen: Alles schön und nett, aber was hat das mit der Jägerei zu tun? Na, ja, eigentlich nichts, rein gar nichts! Und dennoch mußte ich an diese alte Uberlieferung von Mund zu Mund denken, als ich am Fronleichnamstag dem neuerrichteten Hochsitz über fein gesäuberten Pfad in der „Neefer-Kehr“ zustrebte und sah, daß die rührigen Bremmer Bürger allenthalten „Maien“ geschlagen hatten (dieser schöne Brauch ist leider eingeschlafen).

„Nanu, Maien, was ist das denn jetzt schon wieder?“, fragte mich ein Jagdgast aus der Düsseldorfer Gegend.

„Also“, erklärte ich ihm, „Maien sind gut beastete und demzufolge reich belaubte Hainbuchen, mit denen früher in den hiesigen Dörfern jene Häuserfronten und Straßensäume begrünt und geschmückt wurden, an denen die Prozession entlangging.

  Ferner sagte ich dem interessierten Mann (der sich hier an der Mosel offenbar sehr wohlfühlte): „Obwohl ich, zugegebenermaßen, nie ein übertriebener Frömmler war, der allwöchentlich aus Augenwischerei mit der grünen Bundhose Kirchenbänke poliert, beeindruckt mich dieser christliche Feiertag mit seinen feierlichen Liedern und prächtig herausgeputzten Straßenaltären immer wieder aufs neue.

- Und dann gibt es da ja schließlich auch noch die sattroten Böcke, die mittlerweile allesamt ihren leichten, bequemen „Sommeranzug“ tragen und des Jägers Herz erfreuen“...

Vorsichtig, jedes Geräusch vermeidend, erklomm ich den Sitz oberhalb einer Schneise. Behaglich zurückgelehnt, betrachtete ich wohlgefällig „mein Bauwerk“. Dem alterfahrenen Jagdpächter muß es ebenfalls zugesagt haben, denn als er seinen ersten Ansitz hier beendet hatte, gab er mir spontan einen Bock frei (auf IIc-Böcke hatte ich ohnehin „Prokura“). Ja, und den wollte ich mir an diesem Fronleichnamstag gern holen. Meine Geduld wurde diesmal nicht allzusehr strapaziert. Plötzlich, ich mochte eine knappe halbe Stunde ausgeharrt haben, wechselte ein schwächliches Reh unter mir aus dem Niederwald in die Schneise. Ein kurzer Blick mit dem Fernglas genügte: Knopfbock (also llc, wie wir damals sagten). Auf die geringe Entfernung (etwa 30 Meter) fiel mir diese Feststellung nicht schwer.

Hastig und unsicher zog der Kümmerling derweil in den frischgrünen Eichenstockausschlag und begann gierig davon zu äsen. Dabei ruckte ständig sein Haupt in die Höhe, um ängstlich die Umgebung zu beäugen.

Ja, ja, das sind sie, die „Endprodukte“ falschverstandener Rehwildhege; zu hohe Wildbestände und überalterte Ricken bringen solche „Knopfer“ hervor. - Aber auch - und damit mit steigender Tendenz - die „Mordwaffe Auto“...

Der Schuss - damals noch ohne Brille und Super-Zielfernrohr - bereitete keine Probleme: Im Donnerschlag meines getreuen „Dreilaufs“ versank der Bock im bodendichten Blätterwald. Ein ärmliches Leben in Angst und Schrecken vor stärkeren Artgenossen war abrupt zu Ende. So soll es sein, kurz und ohne Qualen.

Während ich meine Beute versorgte und mir nach altem Brauch den schweißigen Eichbruch an den Hut steckte, kam mir der kernige Spruch des seligen Bremmer Pastors in den Sinn wo die annere Leut die Köpp han, habt ihr Dutze.. Zufrieden schmunzelnd trug ich leichtbeschwingten Schrittes meine kaum 10 Kilo wiegende Beute nach alter Vätersitte im Rucksack heimwärts.

Ubrigens: Die damaligen Akteure - Pastor und Loheschäler - setzten nachhaltige Akzente. So wird beispielsweise meinen drei Enkeln (Kilian, Verena und Mäxchen) nicht erspart bleiben, als „Bremmer Knuppe“ (Abwandlung von „Knutze“) tituliert zu werden.

Aber was soll‘s: Die Bremmer tragen es mit Humor - und sind stolz auf ihr schönes Weindorf am Fuße des Calmont.

Früher waren nicht nur Kühe auf der "Küh Gaas" unterwegs, sondern auch Hühner und voll beladene Heuwagen
Quelle: Josefine Franzen, Bremm
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Literaturquelle(n)
Rolf Goergen   Heimatjahrbuch des Landkreises Cochem-Zell von 1997
     
 
Bildquelle(n)
Rainer Pellenz   Das Alte Fotoalbum von Bremm
     
 
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Dieser Beitrag wurde verfasst von Rolf Goergen, Bremm   Korrekturdatum:
Eventuelle Korrekturhinweise bitte an rp@moselweb.de   27.06.2009 RP
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